Aaron Gruen: ein neuer Name in der österreichischen Laufszene. - Text: Olaf Brockmann
Österreichs Leichtathletik ist um einen sehr guten Langstreckenläufer - mit einer interessanten Vita - reicher. Aaron Gruen (Vater US-Amerikaner, Mutter Deutsche) wuchs in München auf, ging zum Studium in die USA und entwickelte sich dort auch von einem Hobbyläufer zu einem Spezialisten im Halbmarathon (1:04:35) und Marathon (2:15:56). Aaron Gruen, dessen Großvater Anfang des Zweiten Weltkriegs aus Wien fliehen musste, ist seit 2022 österreichischer Staatsbürger. Im Juni hat er bei der World Athletics einen Nationenwechsel beantragt, dem der US-Verband und der ÖLV zugestimmt haben.
Gleich auf Platz vier
Am 30. Juni 2024 startete er beim Hamburg-Marathon erstmals für Österreich und ist mit seinen dort als Zwölfter im Halbmarathon erzielten 1:04:35 Stunden in der ÖLV-Jahresbestenliste schon vorne vertreten. Der 25-Jährige reihte sich auf Anhieb als Vierter in der Spitze ein – witzigerweise genau zwischen Dominik Stadlmann (1:04:20) und Mario Bauernfeind (1:04:45), seinen neuen Vereinskollegen beim ÖBV Pro Team. Der Kontakt zu seinem neuen Klub kam über ÖLV-Sportkoordinator Philipp Breyer zustande. Gruen: „Ich finde es toll, wie freundlich und zukommend Trainer Mario Mostböck ist und wie die besten österreichischen Läufer alle zusammen trainieren. Es ist für mich eine große Ehre, für Österreich zu laufen.“
Marathon-EM als Ziel
„Meine Ziele sind es“, so Aaron Gruen, „in den nächsten Jahren zu sehen, wie nahe ich dem österreichischen Marathon-Rekord kommen kann, und Österreich bei den Marathon-Europameisterschaften im April 2025 zu repräsentieren. Ich behalte auch ein Auge auf die Olympischen Spiele 2028. Kurzfristig werde ich im Oktober den Chicago-Marathon laufen.“ Auch dort will er schon einmal abtasten, ob er sich dem Rekord von Peter Herzog (2:10:06) etwas nähern kann…
Studium in den USA und in Prag
Über seinen spannenden Werdegang erzählt er: „Ursprünglich wollte ich in Deutschland entweder Cello oder Medizin studieren, habe mich dann aber für die Brown Universität (Providence) entschieden, da ich dort meine Interessen und die zwei Studienfächer besser kombinieren kann. Während der Corona-Zeit wohnte ich ein Jahr lang in Prag und studierte dort Cello an der Musikhochschule. Dort bin ich auch viel mehr gelaufen. Obwohl ich in der sechsten Klasse eine Leidenschaft für den Laufsport entwickelt habe, war es bis 2020 nur ein intensives Hobby.“
In Boston schon 2:21
Als er aber 2021 nach Providence zurückkam, trainierte er für seinen ersten Marathon. Beim Providence Marathon wurde er mit einer Zeit von 2:34 Dritter. „Einen Monat später wurde ich Vierter beim San-Francisco-Marathon. Damals trainierte ich noch alleine. In meinem letzten Jahr bei Brown entwickelte ich eine Beziehung mit einem Trainer, Bob Rothenberg. Er war der ehemalige Coach an der Brown-Uni. Im April 2022 war ich selbst überrascht, dass ich den Boston Marathon in 2:21 gelaufen bin. Zu diesem Zeitpunkt habe ich auch mein Studium (Musik und Chemie) abgeschlossen und habe mich an Medizinhochschulen in den USA beworben. Mein Trainer, Bob, stellte mich Kurt Benninger vor, dem Trainer des „Rhode Island Track Club”, ein quasi-Elite-Verein. Seit April 2023 bin ich beim Rhode Island Track Club mit Kurt als Trainer. Ich werde weiterhin in Providence trainieren, da ich dort meine Wohnung, meinen Trainingspartner - und meinen Kater habe. Allerdings freue ich mich auch, ab und zu mit dem ÖBV Pro Team in Wien zu trainieren.“ Regelmäßig besucht er auch seine Eltern, die noch in München wohnen.
„Mehr als nur Sport!“
Seit 2022 besitzt Aaron Gruen die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 58c Abs. 1a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985. „Mein Großvater musste mit seiner Familie am Anfang des Zweiten Weltkriegs aus Wien flüchten. Mein Vater hat die Dokumente über die letzten fünf Jahren gesammelt und wir haben dann zusammen die Staatsbürgerschaft erworben. Ich spiele viel Musik aus der Zeit des Holocaust. Tatsächlich befasste sich meine Bachelorarbeit mit der in Theresienstadt komponierten Musik!“ Österreich zu repräsentieren bedeutet Aaron Gruen, mehr als nur Sport zu treiben: „Es ist eine Möglichkeit, das Unrecht der Vergangenheit intern zu korrigieren.“ Neben dem Laufen unterrichtet Aaron Gruen Cello und gibt Konzerte und Auftritte als Solist und in Kammermusik-Ensembles.
Bescheiden erzählt er en passant von seiner akademischen Karriere: „Ich habe für diesen August einen Platz an der Harvard Medical School bekommen. Allerdings habe ich meinen Beginn bei Harvard um ein Jahr verschoben, damit ich mich im kommenden Jahr mehr auf das Laufen fokussieren kann.“
Verwirrung bei Statistikern
Noch sorgt er übrigens bei den Statistikern für etwas Verwirrung. Selbst bei der World Athletics wird er doppelt geführt: als US-Amerikaner unter Aaron Gruen und in der Bestenliste als Österreicher unter Aaron Grün. ÖLV-Sportkoordinator Hannes Gruber wird dies beim Weltverband baldmöglichst korrigieren lassen. Korrekt ist, dass er heuer wirklich auf die Sekunde genau den Halbmarathon zweimal in 1:04:35 gelaufen ist – als Sieger am 14. Jänner in Tempe (Arizona) als US-Amerikaner und jetzt in Hamburg als Österreicher. Eines stellt er noch klar: „Meinen Namen schreibt man Gruen. Ursprünglich war dieser Grünberger, aber der Name wurde zu Gruen verkürzt, als meine Verwandten in den 30er-Jahren nach Amerika flüchteten.“
Die Bestzeiten von Aaron Gruen,
geboren am 28.01.1999 in München
5000 m:
13:57,45 (6) New York 03.05.2024
5 km:
14:36 (1) Providence 17.09.2023
Halbmarathon:
1:04:35 (1) Tempe AZ 14.01.2024
1:04:35 (12) Hamburg 30.06.2024
Marathon:
2:15:56 (9) Valley Cottage 14.10.2023
VCM News / Olaf Brockmann