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Ruth Chepngetich läuft 2:09:56-Fabel-Weltrekord in Chicago

Barriere von 2:10 Stunden im Frauen-Marathon durchbrochen

Ruth Chepngetich hat in Chicago die Marathon-Traum-Barriere der Frauen durchbrochen: Die Kenianerin pulverisierte den Weltrekord mit einer Zeit von 2:09:56 Stunden und blieb damit völlig überraschend und sensationell als erste unter 2:10:00. Damit verbesserte die 30-jährige Kenianerin die Zeit der Äthiopierin Tigst Assefa, die vor einem Jahr in Berlin mit 2:11:53 triumphiert hatte, um fast zwei Minuten. Der Weltrekord der Frauen sprang nun innerhalb von nur 13 Monaten von 2:14:04 auf 2:09:56. Dies sind inzwischen Zeitbereiche, die viele professionelle Männer nicht erreichen und die vor einigen Jahren noch unvorstellbar waren für Frauen.

Unvorstellbares Tempo

Chepngetich, die Marathon-Weltmeisterin von 2019, lief in Chicago Rennhälften von 64:16 und 65:30 Minuten. Man muss dieses Resultat erst verdauen. Geradezu irrwitzig war ihr Anfangstempo mit 15:00 Minuten für die ersten 5 Kilometer - hochgerechnet eine Marathonzeit von 2:06:35 Stunden - und 15:14 Minuten für die zweiten 5 Kilometer. Nachdem sie ab Kilometer 30 eine Spur langsamer wurde, schaffte sie mit einem energischen Finish auf den letzten zwei Kilometern eine Punktlandung knapp unter 2:10 Stunden. Zwei männliche Pacemaker begleiteten sie bis über Kilometer 35 hinaus, einer davon bis kurz vor das Ziel. 

Welche Faktoren zu solchen Leistungen beitragen, wirft für viele offene Fragen auf. Die Schuhtechnologie ist in gewissem Ausmaß ein Beschleuniger der Entwicklung, aber sie ist nicht mehr neu und nicht mehr jedes Jahr noch besser - und darf in ihrem Ausmaß auch nicht überschätzt werden. Sind es Trainingsmethoden? Ernährungsstrategien? Mentale Barrieren, die gefallen sind? Ruth Chepngetich hat bei der Pressekonferenz nach dem Weltrekord in Chicago gesagt, dass sie keinen Trainer habe.

Beide Weltrekorde jetzt in Chicago

Die 2:10-Grenze im Frauenmarathon war seit dem Weltrekord von Tigst Assefa in Berlin 2023 ein realistisches, wenn auch nicht ganz nahes Thema. Viel mehr wurde stets über die 2-Stunden-Marke im Marathon gesprochen. Eliud Kipchoge hat sie in Wien vor fünf Jahren mit 1:59:40,2 bereits durchbrochen, allerdings nicht nach den Regeln von World Athletics. Es ist nur mehr eine Frage der Zeit, bis auch bei einem regulärem Marathon unter zwei Stunden gelaufen wird, auch wenn sich nach dem Unfalltod von Kelvin Kiptum die Anwärter nicht offensiv aufdrängen. 

Vor einem Jahr war Kelvin Kiptum in Chicago 2:00:35 gelaufen. Somit hält das Rennen zurzeit beide Weltrekorde. Schnellster Mann war dieses Mal John Korir (Kenia), der mit 2:02:44 eine Weltklassezeit erreichte. Was die zusammengerechneten Siegzeiten angeht, war dieser Chicago-Marathon mit 4:12:40 Stunden das hochklassigste Rennen aller Zeiten über die 42,195 km 

Dritter Sieg in Chicago

Es war bereits der dritte Sieg von Ruth Chepngetich in Chicago. Nach 2021 hatte sie 2022 in 2:14:18 triumphiert und dabei den damaligen Weltrekord um lediglich 14 Sekunden verpasst. Die Marathon-Weltmeisterin von 2019 hatte 2021 in Istanbul einen Halbmarathon-Weltrekord aufgestellt (64:02 Minuten), der inzwischen aber wieder verbessert wurde. Im Frühjahr hatte Ruth Chepngetich die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris verpasst. In London kam sie lediglich als Neunte nach 2:24:36 ins Ziel - jetzt war die Kenianerin in Chicago fast eine Viertelstunde schneller.

Raketenhafte Steigerung

Aufgrund ihrer bisherigen Leistungen in diesem Jahr kam der Angriff auf den Weltrekord in Chicago überraschend. Mit einem unglaublichen Tempo stürmte Ruth Chepngetich, geführt von zwei Tempomachern, los. Nach 15:00 Minuten erreichet sie Kilometer 5. Sutume Kebede (Äthiopien) war noch bis kurz vor Kilometer 10 hinter ihr, danach fiel sie zurück. Diese Marke passierte Chepngetich in 30:14 (2:07:30-Tempo). Die erste Hälfte lief die Kenianerin in 64:16. Diese Zeit wäre noch vor vier Jahren ein Halbmarathon-Weltrekord gewesen. Normalerweise brechen Athleten, die im Marathon derart „über-pacen“ in der zweiten Hälfte ein. Doch das passierte Ruth Chepngetich nicht. Sie wurde langsamer, aber nicht gravierend.

Ihre nächsten Zwischenzeiten von 1:16:17 (25 km) und 1:31:49 (30 km) könnten als Weltbestzeiten anerkannt werden, sofern an diesen Punkten offizielle Zeiten gestoppt wurden und die entsprechenden Regeln eingehalten wurden. Über 1:47:32 (35 km) lief Ruth Chepngetich dann zum Weltrekord. „Es war immer mein Traum, den Weltrekord im Marathon zu brechen - dafür habe ich gekämpft. Das Wetter war heute perfekt und ich war sehr gut vorbereitet. Daher hatte ich den Weltrekord im Kopf. Ich widme diesen Rekord Kelvin Kiptum“, sagte Ruth Chepngetich, die in der Gesamtwertung in Chicago hinter zehn Männern als Elfte ins Ziel lief und über sieben Minuten Vorsprung hatte auf die zweitplatzierte Sutume Kebede (2:17:32). Dritte wurde Irine Cheptai (Kenia), die mit 2:17:51 ebenso noch eine Top-Zeit erreichte.

John Korir siegt mit Weltklassezeit

John Korir (Kenia) holte mit 2:02:44 den Sieg bei den Männern, stand aber doch im Schatten der neuen Weltrekordlerin. Eine Gruppe von zehn Läufern hatte hinter den Tempomachern die Halbmarathon-Marke nach 62:19 Minuten passiert. Als die „Hasen“ ausgestiegen waren, machte John Koriri rund zehn Kilometer vor dem Ziel Druck und setzte sich ab. Bei 35 km (1:42:19) hatte er bereits 29 Sekunden Vorsprung auf eine vierköpfige Gruppe mit Huseydin Esa, Jemal Yimer (beide Äthiopien), Amos Kipruto und Vincent Ngetich (beide Kenia). „Das war ein sehr gutes Rennen für mich“; sagte John Korir. „Ich freue mich auch, dass Ruth den Frauen-Weltrekord zurück nach Kenia geholt hat.“

Aaron Grün mit persönlicher Bestzeit

Aaron Gruen (ÖBV Pro Team), der seit einigen Monaten für Österreich startberechtigt ist, steigerte in Chicago in 2:14:21 Stunden seine bisherige persönliche Bestzeit von 2:15:56 aus dem Jahr 2023. Damit reiht er sich aktuell auf Rang drei der ÖLV-Jahresbestenliste ein. Vor ihm liegen Peter Herzog mit 2:12:08 aus Berlin und Mario Bauernfeind mit 2:14:19 vom Vienna City Marathon.

Lukas Hollaus in Graz erstmals unter 2:20 

Unterdessen gelang Ex-Triathlet Lukas Hollaus mit einem Sieg beim Graz Marathon in 2:17:38 Stunden seine erste Zeit unter 2:20. Der Salzburger lief seinen zweiten Marathon, nachdem er heuer beim VCM in 2:20:17 debütiert hatte. Das Rennen war offenbar turbulent, wie aus dem Bericht der “Kleinen Zeitung” hervorgeht. Hollaus, der mittlerweile kein Profi mehr ist und als Lehrer arbeitet, stürzte 5 Kilometer vor dem Ziel über ein Begleitfahrrad. Er konnte den Marathon aber fortsetzen. Die lange Zeit deutlich führenden Kenianer wurden am Schluss massiv langsamer. Bei Kilometer 40,5 lag laut Zeitnehmungsdaten Gilbert Kipcoech mit einer Durchgangszeit von 2:09:23 um 1:43 Minuten vor Hollaus, im Ziel war er jedoch um über eine Minute hinter dem Sieger. Kipcoech kam in 2:18:43 auf Rang zwei, und zur Überraschung des Publikums lief Hollaus als Gewinner ein. 

 

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