Zeitgeschichte & Sportgeschichte: Wie aus einem kleinen Lauf einer der weltweit prägendsten Marathons wurde
Der BMW Berlin-Marathon bewegt – und das schon seit 50 Jahren! Vom Volksmarathon im Grunewald mit 286 Teilnehmenden entwickelte sich der Lauf zum weltweiten Großevent. In diesem Jahr bringt die Veranstaltung mit 58.212 gemeldeten Läufer*innen so viele Teilnehmende wie nie zuvor an den Start.
Bekannt für seine Weltrekorde, grandiose Stimmung und zeitgeschichtliche Symbolik hat die Veranstaltung seit 1974 Millionen Menschen begeistert und Sportgeschichte geschrieben. Vor der 50. Auflage am Sonntag, 29. September erzählen wir hier die facettenreiche Geschichte des Berlin-Marathons.
Eine detaillierte Darstellung der Entwicklung des Rennens und eine Würdigung des Initiators, Horst Milde, ist unter dem Titel „Immer wieder Marathon!“ als Buch erschienen. Dabei geht es auch um die frühe Historie des Laufsports, die Entwicklungen in Berlin und eine Würdigung des Berlin-Marathon-Gründers Horst Milde. Das Buch hat 248 Seiten im A4-Format und kann für 26,- Euro inklusive Versand in Deutschland per E-Mail bestellt werden: marathoneum@t-online.de
Der erste Berlin-Marathon 1974
Rotwein und ein Geländelauf standen am Beginn. 1964 starteten Horst Milde - der spätere Gründer des Berlin-Marathons - und einige andere Läufer des Sport-Club Charlottenburg (SCC Berlin) bei einem Crosslauf in Le Mans. Vom französischen Rotwein sollen sie noch leicht erheitert gewesen sein, als sie fröhlich durch den Matsch rannten und danach beschlossen, ein solches Rennen in Berlin zu organisieren. So fand im November 1964 der erste Crosslauf für Jedermann am Teufelsberg statt. Es war der Start der großen Läufe in Berlin.
An einen Marathon war in den 1960er Jahren noch nicht zu denken. Auf die Idee, ein solches Rennen zu veranstalten, kamen die Organisatoren vom SCC, nachdem sie 1973 ein Informationsschreiben des Berliner Leichtathletik-Verbandes (BLV) erhalten hatten. In dem stand unter der Überschrift ,Internationaler Marathonlauf in Berlin’ unter anderem: „Dieser Internationale Berliner Langstreckentag am 14. Oktober … war ein voller Erfolg ... voll des Lobes waren alle 92 angetretenen Aktiven…“ 92 Teilnehmer - das ist wenig, da sollte mehr drin sein, dachten sich die inzwischen bereits erfahrenen Lauf-Veranstalter.
Horst Milde stellte erste Anträge für Marathonpremiere
Im August 1974 stellte Horst Milde für den SCC entsprechende Anträge für die Ausrichtung des 1. Berliner Volksmarathons (so hieß der Berlin-Marathon offiziell in den ersten beiden Jahren). Mit 286 Teilnehmern wurde das Rennen am 13. Oktober 1974 am Mommsenstadion auf der Waldschulallee gestartet. 244 Läufer erreichten das Ziel. Die ersten Sieger hießen Günter Hallas (LG Nord Berlin), der 2:44:53 Stunden benötigte, und Jutta von Haase (LG Süd Berlin/3:22:01). Zu beiden gibt es Anekdoten, die typisch sind für die Anfänge der Laufbewegung. So ignorierten Hallas und von Haase während der 42,195 Kilometer sämtliche Verpflegungsstände.
Die Teilnahmegebühr betrug damals 12 DM. Dafür erhielt jeder Läufer, der das Ziel vor dem Mommsenstadion erreichte, eine Medaille sowie eine Urkunde und eine Ergebnisliste, die damals noch von Hand getippt wurde.
Die vierte Auflage des Berlin-Marathons brachte den sportlichen Höhepunkt auf der Grunewaldstrecke. Integriert waren in die Veranstaltung 1977 zum ersten Mal die Deutschen Meisterschaften. Bei dem separat gestarteten Rennen lief die Wuppertalerin Christa Vahlensieck eine Weltbestzeit von 2:34:47,5 Stunden. Rund ein Jahr hielt dieser Rekord, dann wurde die norwegische Weltklasseläuferin Grete Waitz Nachfolgerin der Deutschen. Für das Rennen auf der Grunewald-Strecke gab es bis zu knapp 400 Anmeldungen.
1981: „Ein Verrückter – der will durch die Stadt rennen“
Der nächste Schritt war der wichtigste in der Geschichte des Berlin-Marathons. Ohne den Wechsel aus dem Wald in die Stadt hätte das Rennen keine Chance gehabt, sich international zu entwickeln. „Dort drüben sitzt ein Verrückter - der will durch die Stadt rennen!“ Mit diesen Worten wurde Horst Milde im Sommer 1980, ein Jahr vor dem ersten City-Marathon, dem damaligen Polizeipräsidenten von Berlin, Klaus Hübner, vorgestellt.
Die Organisatoren des SC Charlottenburg hatten damals erfahren, dass es 1981 mit den ,25 km de Berlin‘ zum ersten Mal einen großen Lauf durch die City geben würde. Und sie setzten alle Hebel in Bewegung, um eine solche Genehmigung auch für den Marathon zu bekommen. Der 25-km-Lauf wurde von der französischen Schutzmacht organisiert. Da alliiertes Recht in Berlin überwog, konnten weder der Berliner Senat noch die Polizei diesen ersten großen deutschen City-Lauf stoppen.
Checkpoint Charlie als Knackpunkt: US-Amerikaner stimmten zu
Während es beim Berliner Senat gegen einen City-Marathon nach New Yorker Vorbild keine Einwände gab, war es für die Polizei aber am Anfang nicht so einfach, die Straßen tatsächlich für Läufer sperren zu müssen. „Die Straßen sind für die Autos da", wurde den Marathon-Veranstaltern bei einem zweiten Treffen mit der Polizeispitze im September 1980 gesagt. Die Organisatoren hatten bereits eine erste mögliche Streckenführung entworfen, in der der Kurfürstendamm die zentrale Rolle spielte. Ein anderer Streckenabschnitt war ebenfalls ein Knackpunkt: der Checkpoint Charlie. Der Marathonkurs sollte auch an dem von den Amerikanern kontrollierten Grenzübergang nach Ost-Berlin vorbeiführen. Für die Polizei war diese Route jedoch tabu. Doch statt eine alternative Streckenführung auszuarbeiten, wandten sich die Organisatoren an den Chef der Politischen Abteilung der US-Mission, John Cornblum. Nur fünf Tage nachdem der Amerikaner während eines Abendessens mit Horst Milde von den Marathon-Plänen unterrichtet worden war, erhielten die Veranstalter am 6. Mai 1981 Grünes Licht von Cornblum: Bei Lücken im Läuferfeld könne der Grenzübergang trotzdem passiert werden, ein US-Offizier stehe während des Laufes dafür bereit.
Schnittpunkt der Zeitgeschichte
So konnte Cheforganisator Horst Milde mit den Amerikanern im Rücken am nächsten Morgen den ungläubigen Verkehrspolizisten mitteilen: Die Strecke wird nicht verändert. „1981 bat mich Horst Milde um Hilfe, damit der Marathon am Checkpoint Charlie vorbeiführen konnte. Die Konfrontation von Kommunismus und Demokratie machte sich sogar bei der Routenplanung des Berlin-Marathons bemerkbar. Aber wir waren damals erfolgreich gegen alle Widerstände, so dass die Marathonroute über die geplante Strecke führen konnte. Es war ein kleines Beispiel von vielen, wie Deutsche und Amerikaner zusammen pragmatische Lösungen erreichen können“, erinnerte sich John Cornblum Jahre später – inzwischen war er US-Botschafter in Bonn – an diese Situation.
Wichtiger Einfluss der Briten
Neben den Franzosen und den Amerikanern hatte auch die dritte westliche Schutzmacht einen großen Anteil daran, dass der erste City-Marathon erfolgreich umgesetzt wurde. Die Briten prägten den Berlin-Marathon während der 1980er Jahre wie keine andere ausländische Nation. Vier Athleten aus dem laufbegeisterten Großbritannien gewannen das Rennen zwischen 1981 und 1985, Jahr für Jahr kamen die meisten ausländischen Teilnehmer von der Insel. Dafür hatte zunächst vor allen der britische Sportoffizier Kearny gesorgt, der den Organisatoren Listen mit Anschriften sämtlicher britischer Militärs in Deutschland für eine Werbesendung zur Verfügung gestellt hatte.
„Der große Nudellauf“
Es sollte allerdings etwas dauern, bis das Gros der Berliner wusste, was das für eine Veranstaltung war, die die halbe Stadt am ,Autofreien Sonntag‘ lahm legte. Am Hotel Steigenberger fand sich 1981 vor der Nudelparty am Sonnabend der kuriose Hinweis: „... ist unser Parkplatz von 10-19 Uhr gesperrt. Dort findet der große Nudellauf statt. Wir erwarten 2000 bis 3000 Personen zum Nudelessen vor dem Hotel.“
Erfolgreiche City-Premiere
Rund 250.000 Zuschauer wurden am 27. September 1981 Zeuge eines großen Erfolges des ersten Berlin-Marathons durch die Stadt, der vor dem Reichstag gestartet worden war. 3.486 Läufer aus 30 Nationen hatten sich angemeldet, 2.583 erreichten das Ziel. Damit wurde der Berlin-Marathon zum größten deutschen City-Rennen. Im Frühjahr hatte es in Frankfurt zum ersten Mal in Deutschland einen Stadtmarathon für Breitensportler gegeben, an dem sich rund 3.000 Teilnehmer beteiligt hatten.
Rollstuhlsieger aus Österreich
Als Gewinner lief der Engländer Ian Ray in 2:15:41,8 Stunden ins Ziel kurz vor der Gedächtniskirche. Er verdiente sich die erste Siegprämie beim Berlin-Marathon, die damals 1000 DM betrug. Für einen deutschen Sieg sorgte Angelika Stephan (LG Kassel), die 2:47:23,5 Stunden lief. An Siegerzeiten wie die des ersten Rollstuhlfahrers (Georg Freund/Österreich/2:08:44) war damals bei den Läufern freilich noch nicht zu denken. Die behinderten Sportler wurden von Anfang an in das City-Rennen integriert. Das war damals bei den großen internationalen Marathonläufen noch längst nicht selbstverständlich. Zum herausragenden Athleten im Rollstuhlrennen wurde der Schweizer Heinz Frei, der mehrere Weltbestzeiten in Berlin aufstellte.
„Nummer fünf der Welt“
„Der Berlin-Marathon ist aufgestiegen zur Nummer fünf der Welt.“ Dieses Lob kam nach dem Lauf 1985 vom London-Marathon-Chef Chris Brasher. 11.814 Läufer aus 58 Nationen waren damals gemeldet, 9.840 erreichten das Ziel. Zum ersten Mal gab es eine 75-minütige TV-Sondersendung, was zugleich eine Marathon-Premiere für die gesamte ARD war. Über 400.000 Zuschauer wurden Zeuge von einem weiteren deutlichen Leistungsschub in der Spitze. Endlich wurden international beachtenswerte Zeiten gelaufen. Der Brite James Ashworth siegte in 2:11:43 Stunden und sagte hinterher: „Diese Strecke ist besser als die in London – hier sind Zeiten von weit unter 2:10 Stunden möglich.“ Er sollte recht behalten. Bei den Frauen lief die Belgierin Magda Ilands 2:34:10 und verbesserte damit den Streckenrekord um über fünf Minuten.
Die spitzen- und breitensportliche Entwicklung setzte sich Jahr für Jahr auf eindrucksvolle Weise fort. Zudem machte sich der Berlin-Marathon international einen sehr guten Namen aufgrund der perfekten Organisation und des großen Rahmenprogramms.
Die Jahre von 1987 bis 1989 gehörten dann im Männerrennen den Läufern aus Tansania. Sie stellten die ersten afrikanischen Sieger. Suleiman Nyambui gewann 1987 und ’88, Alfredo Shahanga verbesserte 1989 den Streckenrekord auf 2:10:11. Bei den Frauen hatte nach Charlotte Teske (Darmstadt/2:32:10/1986) die Berlinerin Kerstin Preßler (2:31:22/1987) triumphiert. Renata Kokowska (Polen) war dann 1988 die erste Frau, die ein Zeit von unter 2:30:00 erreichte (2:29:16). Diesen Streckenrekord verbesserte Päivi Tikkanen (Finnland) 1989 auf 2:28:45.
Großer Traum: Geheime Starts von Läufern aus der DDR
Für die Läufer in Ost-Berlin und der DDR war es ein Traum, einmal beim Berlin-Marathon teilnehmen zu können. In grenznahen Gebieten verfolgten sie das Geschehen bei dem Laufspektakel über den SFB im Radio. Doch es gab auch einige wenige, für die sich der Traum eines Starts schon damals erfüllte. Pensionäre oder Läufer, die das Glück hatten, eine Ausreisegenehmigung für einen Verwandtenbesuch in der Bundesrepublik zu erhalten, mischten sich heimlich bereits seit 1982 unter die Starter in West-Berlin. Die Starts mussten geheim bleiben, auch wenn die Organisatoren davon wussten. Ein Läufer aus Thüringen startete zunächst unter dem Namen seiner Katze, um nicht erkannt zu werden. Später wurde daraus der Name seines Hundes und auch der seines Heimatdorfes.
Blick vom Osten: Fernsehturm war überfüllt
Um ein paar Eindrücke von dem Rennen im Westen zu erhalten, versuchten etliche Läufer, auf den Ost-Berliner Fernsehturm zu gelangen. Sie konnten von dort aus den Start des Laufes hinter dem Brandenburger Tor verfolgen. In den Jahren 1988 und '89, so haben die Organisatoren später erfahren, musste der Turm daraufhin wegen Überfüllung geschlossen werden.
Horst Milde, der die Laufveranstaltungen des SCC Berlin seit 1964 über vier Jahrzehnte hinweg leitete und Ehren-Race-Direktor des Berlin-Marathons ist, hat die nachfolgenden Personen genannt, die das Rennen 1974 entscheidend unterstützten und ab 1981 mit prägten:
1974: Helge Ibert, Fritz Orlowski, Rotraud Zylka, Christian F. Ziervogel, Friedrich-Helmut Scheel, Leo Link. Ab 1981 zusätzlich: Peter Christ, Gerhard Kopp, Christoph Kopp.
Mauerfall: Der Lauf in eine neue Dimension
Nach dem Fall der Mauer konnte der Berlin-Marathon in die Eliteklasse der internationalen Straßenläufe aufsteigen. Nur einen Tag nach der Wende, also am 10. November 1989, klingelte bei Cheforganisator Horst Milde in seiner Tempelhofer Konditorei das Telefon. Michael Coleman, Sportredakteur bei der Londoner Times und ein engagierter Förderer des Berlin-Marathons redete auf einen damals noch sehr skeptischen Horst Milde, der nach wie vor alles ehrenamtlich organisierte, ein: „Der Berlin-Marathon wird der Lauf des Jahres – aber er muss 1990 durch das Brandenburger Tor führen.“
Sportliche Wiedervereinigung: Marathon durchs Brandenburger Tor
Am 30. September 1990 wurde schließlich ein Traum wahr für viele Läufer in Ost und West. Die Strecke des Berlin-Marathons führte 16 Jahre nach der Premiere des Rennens durch das Brandenburger Tor und somit durch beide Stadthälften. Drei Tage vor der deutschen Wiedervereinigung fand die sportliche Vereinigung von Ost und West in atemberaubender Weise auf den Straßen der künftigen Hauptstadt statt. Nachdem alle bürokratischen Hürden genommen waren – die Veranstalter mussten auch mit dem Ost-Berliner Magistrat verhandeln –, wurde schnell klar, dass der Berlin-Marathon auf dem Weg war, zu seinen Vorbildern New York und London aufzuschließen. Plötzlich hatte der Lauf annähernd die Dimensionen dieser beiden Läufe erreicht. Rund 25.000 Läufer liefen durch das Brandenburger Tor. Viele hatten Tränen in den Augen, als sie durch diese Nahtstelle zwischen Ost und West hindurchliefen, andere jubelten lauthals.
Der Australier Steve Moneghetti erreichte mit 2:08:16 Stunden die erste Zeit unter 2:10 in Berlin und verbesserte die Jahresweltbestleistung des italienischen Olympiasiegers Gelindo Bordin um drei Sekunden. Eine ehemalige DDR-Athletin, die unmittelbar nach dem Fall der Mauer nach Stuttgart geflüchtet war, feierte einen Heimsieg in 2:28:37 Stunden: Uta Pippig wohnte bereits wieder in Berlin und sollte schon wenige Monate später für den SCC Berlin starten. Die Gefühle der Uta Pippig reflektierten die bewegende Stimmung bei diesem historischen Massenlauf durch Ost und West: „Als ich durch das Brandenburger Tor lief, bekam ich eine Gänsehaut.“
Nur zwei Jahre später hatte der Berlin-Marathon nochmals sportpolitische Bedeutung: 1992 war das Rennen der erste große Citylauf, bei dem die Südafrikaner nach dem Ende der Apartheidpolitik und dem daraus folgenden Ende der internationalen Sperre wieder starten durften. Der Südafrikaner David Tsebe lief mit 2:08:07 Stunden nicht nur ein Streckenrekord sondern auch eine Jahresweltbestzeit. Immer weiter sprach sich die für Topzeiten hervorragend geeignete Berliner Strecke herum. Fachleuten war klar, dass der Kurs sogar für einen Weltrekord gut sein müsste.
Berlin wird zum schnellsten Marathon der Welt
Eine ganze Reihe von Weltklasseläufern meldeten ihr Interesse an, in Berlin zu starten. Das Problem war jedoch, dass das Budget längst nicht ausreichte, um sie alle zu verpflichten. Den Vergleich zu den finanzkräftigeren Rennen von London, Chicago, New York oder Boston konnten und können die Berliner in punkto Startgeld nicht standhalten. Doch noch heute nehmen einige Topläufer geringere Gagen in Berlin in kauf, um auf der schnellen Strecke eine Spitzenzeit zu laufen.
1995 stürmte der Kenianer Sammy Lelei zu einer Traumzeit von 2:07:02 Stunden – es war die damals zweitschnellste je gelaufene Zeit. Nur zwölf Sekunden fehlten Sammy Lelei zur damaligen Weltbestzeit des Äthiopiers Belayneh Dinsamo aus dem Jahr 1988. Berlin war auf dem Weg zum schnellsten Marathon der Welt zu werden. 1998 war es soweit. Dass der Brasilianer Ronaldo da Costa beim 25. Jubiläum des Berlin-Marathons einen Weltrekord lief, war eine Sensation und kam völlig unerwartet. Im Ziel zeigten die Uhren 2:06:05 Stunden, und damit hatte da Costa die zehn Jahre alte Weltbestzeit von Dinsamo um genau eine dreiviertel Minute unterboten.
Nur ein Jahr nach dem Jubiläumsrennen gab es schon den nächsten Weltrekord: Die Kenianerin Tesla Loroupe verbesserte ihre eigene Bestzeit in Berlin 1999 auf 2:20:43.
Bis heute wurden in Berlin insgesamt 13 Weltrekorde über die 42,195 km gelaufen - mehr als bei jedem anderen City-Marathon in der Welt.
Die 13 Berliner Marathon-Weltrekorde
2023 Tigst Assefa ETH 2:11:53
2022 Eliud Kipchoge KEN 2:01:09
2018 Eliud Kipchoge KEN 2:01:39
2014 Dennis Kimetto KEN 2:02:57
2013 Wilson Kipsang KEN 2:03:23
2011 Patrick Makau KEN 2:03:38
2008 Haile Gebrselassie ETH 2:03:59
2007 Haile Gebrselassie ETH 2:04:26
2003 Paul Tergat KEN 2:04:55
2001 Naoko Takahashi JPN 2:19:46
1999 Tegla Loroupe KEN 2:20:43
1998 Ronaldo da Costa BRA 2:06:05
1977 Christa Vahlensieck GER 2:34:48
Barrieren durchbrochen
Haile Gebrselassie und Eliud Kipchoge, zwei der größten Langstreckenläufer aller Zeiten, liefen jeweils zwei Weltrekorde in Berlin. Zuletzt sorgte Tigst Assefa für Furore, als sie den Weltrekord für Frauen auf 2:11:53 Stunden schraubte. Die Äthiopierin erreichte Zeit-Dimensionen, die bisher nur Männern vorbehalten waren und die viele Athleten nie erreichen.
Zweimal wurden zuvor große Zeit-Barrieren in Berlin durchbrochen. Fast zwei Jahrzehnte lang, seit Mitte der 1980er Jahre, hatten die besten Langstreckenläuferinnen der Welt vergeblich versucht, die 2:20:00-Stunden-Barriere zu unterbieten. In Berlin schaffte dies schließlich Naoko Takahashi. Die 29-jährige Olympiasiegerin aus Japan lief 2001 eine Traumzeit von 2:19:46 Stunden. Ihren Zieleinlauf verfolgte fast jeder zweite Japaner live im Fernsehen. Der Berlin-Marathon erreichte damals in Japan eine unglaubliche Einschaltquote von 53,5 Prozent. 121 japanische Pressevertreter berichteten aus Berlin.
Der Berlin-Marathon hatte 2001 auch eine politische Dimension. Erfolgreich setzte die Veranstaltung ein Zeichen des Mitgefühls, der Völkerverständigung und des Friedens. Im Gedenken an die Todesopfer der Terrorattacken in New York und Washington vom 11. September 2001 hatten die Teilnehmer vor dem Start ein Transparent mit der Aufschrift „United we Run“ über ihre Köpfe hinweggezogen.
Zwei Jahre später, beim 30. Berlin-Marathon, befand sich das Ziel zum ersten Mal am Brandenburger Tor. Und dieses Jubiläum krönte Kenias Laufsport-Idol Paul Tergat mit einem besonderen Weltrekord. Mit 2:04:55 erzielte er die erste Zeit unter 2:05:00.
Christoph Kopp und Mark Milde machten heutigen Erfolg erst möglich
Die enorme Teilnehmer-Entwicklung des Berlin-Marathons, der zum 50. Jubiläum rund 50.000 Finisher erwartet, und der große Erfolg des Rennens wäre ohne die Zugehörigkeit zu den World Marathon Majors (WMM) nicht möglich gewesen. Zu Jahresbeginn 2006 gaben fünf der bedeutendsten Marathonrennen der Welt diesen Zusammenschluss bekannt: New York, Boston, Chicago, London und Berlin.
Doch wie hat es Berlin damals geschafft, die Zugehörigkeit zu diesem elitären Kreis zu erreichen? Die Antwort ist klar: Das Rennen in Berlin war spitzensportlich in den 90er Jahren und Anfang des neuen Jahrtausends derart erfolgreich, dass am Berlin-Marathon kein Weg vorbei führte. Bezüglich der Größe der Teilnehmerfelder und der Finanzkraft hätte Berlin den Anschluss an die WMM nicht schaffen können. Doch die Topzeiten, die in Berlin immer wieder gelaufen wurden, gaben den Ausschlag dafür, dass die WMM-Initiatoren sich für das deutsche Rennen entschieden.
Für die enorme spitzensportliche Entwicklung des Berlin-Marathons zwischen 1990 und 2005 stehen zwei Namen: Christoph Kopp und Mark Milde. Seit das Rennen 1981 erstmals in der West-Berliner City stattfand, war Christoph Kopp ehrenamtlich für die Topathleten zuständig. Er machte aus dem Berlin-Marathon ein Weltklasse-Event und baute Verbindungen auf, von denen der Lauf heute noch profitiert. „Was Christoph macht, kann kein anderer. Das Rennen ist ohne ihn nicht vorstellbar“, sagte Horst Milde Anfang der 1990er Jahre. Mildes Sohn Mark übernahm dann schließlich ab 1999 diese Position.
Mark Milde ist wie kein anderer aus dem Berliner Organisations-Team mit dem Marathon aufgewachsen. Er setzte den erfolgreichen Weg von Christoph Kopp, mit dem er bis zu dessen Tod im Frühjahr 2023 kooperierte, nicht nur fort, sondern machte aus dem Berlin-Marathon das Weltrekordrennen schlechthin. Elf Weltrekorde wurden unter seiner Regie über die 42,195 km gebrochen - eine Bilanz, an die weltweit kein anderer Marathon-Race-Direktor auch nur annähernd herankommt.
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Seit 2002 ist Mark Milde auch beim Vienna City Marathon für die Zusammenstellung der Elitefelder zuständig. Wir wünschen ihm und dem ganzen Berliner Team eine herausragende Jubiläumsveranstaltung!
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VCM News. Text: Jörg Wenig / Race News Service