C'est magnifique: Was für ein Marathon-Ereignis in Paris!
Tamirat Tola ist der neue Marathon-Olympiasieger. Der 33-jährige Äthiopier, ursprünglich als Ersatzmann nominiert und dann kurzfristig für den verletzten Sisay Lemma eingesprungen, triumphierte in Paris nach 2:06:26 Stunden. Damit stellte der Weltmeister von Eugene 2022, der im vergangenen Jahr auch den hügeligen New York-Marathon mit einem Streckenrekord gewonnen hatte, auf der schweren Strecke eine olympische Rekordzeit auf und bescherte den Äthiopiern am vorletzten Wettkampf-Tag die erste Goldmedaille bei den Spielen.
Nachdem er vor drei Jahren beim Olympia-Marathon in Sapporo Bronze gewonnen hatte, lief der belgische Europa-Rekordler Bashir Abdi dieses Mal sogar auf den zweiten Platz mit 2:06:47. Bronze ging an den Kenianer Benson Kipruto (2:07:00), Vierter wurde überraschend Großbritanniens Marathon-Newcomer Emile Cairess in 2:07:29.
Einmalige Marathon-Atmosphäre
Vom Stadtzentrum nach Versailles und wieder zurück. Zuschauerspaliere, touristische Highlights, Mega-Stimmung, eine extrem harte Strecke und ein beinahe unwirklich schönes Finish beim Invalidendom: Der Olympia-Marathon von Paris war ein grandioses Marathon-Ereignis und echte Werbung für den Laufsport.
Mit 17°C beim Start und rund 20°C im Ziel gab es für ein Hochsommer-Rennen recht passable Temperaturen. Die direkte Sonneneinstrahlung und die hohe Luftfeuchtigkeit von über 85% zu Beginn machten die Bedingungen jedoch fordernd.
Der Deutsche Richard Ringer lief ein weiteres außerordentlich starkes Meisterschaftsrennen. Der Europameister von München 2022 holte in der zweiten Hälfte des Rennens stark auf und war nach 2:09:18 als Zwölfter und damit drittbester Europäer im Ziel. Eine hervorragende Leistung zeigte auch sein Landsmann Samuel Fitwi, der als 15. mit 2:09:50 ins Ziel lief.
Eliud Kipchoge: Kommt das Karriere-Ende?
Einige Weltklasseläufer kamen nicht ins Ziel. Darunter waren der Olympia-Zweite von Sapporo, Abdi Nageeye (Niederlande), und der 39-jährige Titelverteidiger Eliud Kipchoge: Der erfolgreichste Marathonläufer aller Zeiten hatte keine Chance, als erster Läufer der Sportgeschichte zum dritten Mal den olympischen Marathon zu gewinnen. Der Kenianer fiel schon nach rund 17 km bei der ersten Steigung zurück, fasste sich mehrmals an die Seite und gab das Rennen kurz nach 30 km auf. Abebe Bikila (Äthiopien) und Waldemar Cierpinski (Deutschland) sind neben Eliud Kipchoge die einzigen Läufer, die zweimal den Marathon bei den Olympischen Spielen gewonnen haben.
Möglicherweise wird Eliud Kipchoge seine einmalige Karriere beenden. „Ich weiß nicht wie es weitergeht. Ich werde zu Hause meine 21 Jahre lange Karriere, während der ich auf höchstem Niveau gelaufen bin, reflektieren. Ich muss mich weiter entwickeln und mich auch anderweitig einbringen“, sagte Eliud Kipchoge, der erstmals in seiner Laufbahn in einem Marathon nicht ins Ziel kam.
Bei Kilometer 31 blieb er in Paris auf der Strecke stehen und wartete dort, bis auch der letzte Teilnehmer an ihm vorbei gelaufen ist, um ihnen in gewisser Weise die Ehre zu erweisen, wie Japan Running News auf X postete. Wie die Krone mit Informationen der FAZ berichtete, verschenkte Kipchoge danach seine Startnummer und seine Schuhe an Fans an der Strecke.
Bekele und Abraham fast Seite an Seite
Äthiopiens Lauf-Legende Kenenisa Bekele spielte in diesem Rennen keine Rolle. Der 42-Jährige fiel frühzeitig schon kurz nach Kilometer 15 zurück. Am Ende lief er auf Rang 39 nach 2:12:24 ins Ziel. Ob der dreimalige Langstrecken-Olympiasieger (5.000 und 10.000 m) seine Karriere fortsetzt, ist sicherlich auch fraglich.
Bekele lief einen Rang und zwei Sekunden hinter dem Schweizer Rekordhalter Tadesse Abraham ein. Auch wenn der bald 42-jährige “Tade”, der heuer 2:05:01 gelaufen ist, in Paris kein gutes Resultat erbringen konnte, freute er sich sichtlich über seinen Abschied auf der größten Bühne des Sports.
Tamirat Tola bergauf nicht zu halten
In beeindruckender Manier war Tamirat Tola vor zwei Jahren in Eugene zum WM-Titel gelaufen. Ein Jahr später kam er in extremer Hitze bei der WM in Budapest nicht ins Ziel. Doch in Paris war es längst nicht so heiß wie 2023 in Ungarn, und Tamirat Tola dominierte dieses Meisterschafts-Rennen so wie in den USA 2022. Er war es, der schon auf der ersten der beiden langen Bergauf-Passagen das Tempo forcierte und den Ausreißer Eyob Faniel (Italien) einholte. Nach einer Halbmarathon-Zwischenzeit von 64:51 Minuten wurde das Tempo an der Spitze kurzzeitig etwas ruhiger, so dass die Verfolgergruppe an das Führungs-Trio - neben Tola und Faniel lief noch der US-Amerikaner Connor Mantz - wieder herankam.
Bei Kilometer 25 (1:16:08) liefen 15 Läufer in der lang gezogenen Spitzengruppe. Darunter war auch Samuel Fitwi, der wie schon beim Dubai-Marathon im Januar (5. in 2:06:27) ein mutiges Rennen lief. Richard Ringer lag zu diesem Zeitpunkt 36 Sekunden hinter der Spitze, hatte sich aber bereits auf Rang 18 nach vorne geschoben. Dagegen hatte Amanal Petros hier schon einen Rückstand von 2:05 Minuten, nachdem er ungefähr bei Kilometer 18 den Anschluss verloren hatte.
Vorentscheidung beim zweiten Berg
Auf dem Rückweg von Versailles nach Paris folgte der zweite lange Anstieg dieses Olympia-Marathons. Wieder war es Tamirat Tola, der das Tempo so hoch hielt, dass keiner ihm folgen konnte. Er schien als einziger Läufer die steilen Bergauf-Passagen zu lieben. Die Gruppe löste sich auf und als der Äthiopier bei Kilometer 29 den Hügel erklommen hatte und auch die Bergab-Passage ohne Probleme meisterte, war eine Vorentscheidung gefallen. Nach 35 km (1:45:14) hatte Tamirat Tola, der bei den Olympischen Spielen in Rio 2016 schon eine Bronzemedaille über 10.000 m gewonnen hatte, seinen Vorsprung auf 18 Sekunden ausgebaut. Hinter ihm kämpften sein Landsmann Deresa Geleta, Bashir Abdi und Benson Kipruto um die Medaillen. Auf Rang 18 zurückgefallen war zu diesem Zeitpunkt Samuel Fitwi (1:47:00), der kurz darauf von Richard Ringer überholt wurde.
Während Tamirat Tola dem größten Sieg seiner Karriere entgegen lief, setzte sich Bashir Abdi rund zwei Kilometer vor dem Ziel auf dem eindrucksvollen Esplanade des Invalides von seinen Konkurrenten ab und sicherte sich die Silbermedaille.
Dank an VCM-Sieger Sisay Lemma
„Das ist das Größte was ich in meinem Leben erreicht habe. Es war mein Ziel, zu gewinnen - ich hatte mich gut vorbereitet“, sagte Tamirat Tola, der auch Sisay Lemma dankte, dass er seinen Startplatz abgetreten hatte. Lemma, der VCM-Sieger von 2015, hatte im April eindrucksvoll den hügeligen Boston-Marathon gewonnen und galt als ein Topfavorit für Olympia bevor er sich verletzte. „Sisay sagte mir, es sei angesichts seiner jetzigen Verfassung besser, wenn ich starten würde. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mir diese Gelegenheit gegeben hat. Er hat einen Anteil an diesem Sieg“, erklärte Tamirat Tola.
Richard Ringer: „Ich bin super zufrieden“
Zwei Jahre nach seinem sensationellen EM-Sieg in München zeigte der Deutsche Richard Ringer ein weiteres Top-Meisterschaftsrennen. „Ich bin super zufrieden. Ich habe mit Platz zwölf das Ziel erreicht, das ich mir vorgestellt hatte. Von mir aus hätte es noch ein wenig länger sein können, dann hätte ich vielleicht noch mein Traumziel, Platz acht, erreicht. Das Rennen hier zeigt auch, was in mir steckt, wenn man davon ausgeht, dass man hier auf dem schwierigen Kurs etwa vier Minuten hinter seiner Bestzeit zurückbleibt“, sagte der 35-jährige Richard Ringer gegenüber „laufen.de".
Langsameres Rennen erwartet
„Ich habe gedacht, dass das Rennen langsamer wird und damit gerechnet, dass man mit 2:10 in Richtung der Medaillen läuft. Wenn die Temperaturen noch höher gewesen wären, hätte ich vielleicht noch weiter vor laufen können. Heute war es auf jeden Fall ein Rennen mit Köpfchen“, so Ringer.
Sein Landsmann Samuel Fitwi konnte sehr zufrieden sein mit seiner olympischen Premiere. „Ich bin lange vorne mitgelaufen, denn mein Ziel war ein Platz unter den Top acht. Aber als es zwischen Kilometer 29 und 30 bergauf ging, musste ich abreißen lassen. Das hier ist natürlich nicht vergleichbar mit Berlin oder Valencia, die Strecke ist schwieriger und es ist ein Meisterschaftsrennen“, sagte Samuel Fitwi. „Für mich war das heute erst mein vierter Marathon. Ich bin sehr zufrieden, auch wenn vielleicht noch ein wenig mehr möglich gewesen wäre. Hier ins Ziel zu laufen, war ein unbeschreibliches Gefühl.“
Schlecht erging es dagegen dem deutschen Rekordhalter Amanal Petros, der in den letzten Wochen vor dem Marathon unter einer Corona-Infektion litt, sein Trainingslager in Kenia früher als geplant beenden musste und offensichtlich nicht fit war. Geschwächt von der Erkrankung, gab der Halbmarathon-EM-Dritte nach 32 km auf. Im Nachhinein wäre es sicher besser gewesen, wenn er den Startplatz an Ersatzläufer Hendrik Pfeiffer abgegeben hätte.
Enorm hohe sportliche Qualität
Viele hatten angesichts des schweren Höhenprofils ein langsameres Rennen erwartet. Dass ein Olympischer Rekord möglich sein könnte, stand im Vorfeld nicht auf der Agenda. Die Topläufer waren jedoch in der Lage, auch in den Bergab-Passagen und auf den letzten flachen Kilometern ordentlich Tempo zu machen. Sieger Tamirat Tola legte die beiden Streckenhälften in 64:51 und 61:35 Minuten zurück. 16 Läufer blieben unter 2:10 Stunden, 55 unter 2:15 Stunden, was die hohe Qualität der Athleten unterstreicht. Erst danach dünnte das Feld etwas aus.
Letzter Finisher mit sechster Olympiateilnahme
Mit großem Abstand kam Ser-Od Bat-Ochir aus der Mongolei an 71. und letzter Stelle nach 2:42:33 Stunden ins Ziel. Der 42-jährige hatte auf den ersten Kilometern seine Minuten an der Spitze des Feldes genossen. Er startete bei seinem sechsten (!) Olympiamarathon in Folge - eine Kontinuität auf hohem Niveau, die vor ihm noch niemand geschafft hat. Er hatte sich mit Marathons in 2:10:11 (Hofu 2023) und 2:10:10 (Osaka 2024) haarscharf nicht über die Weltrangliste qualifiziert, erhielt jedoch von World Athletics einen “Universality Place” für Nationen, die sonst nicht bei den Leichtathletikbewerben der Olympischen Spiele präsent gewesen wären.
1. Tamirat Tola ETH 2:06:26 - Olympischer Rekord
2. Bashir Abdi BEL 2:06:47
3. Benson Kipruto KEN 2:07:00
4. Emile Cairess GBR 2:07:29
5. Deresa Geleta ETH 2:07:31
6. Akira Akasaki JPN 2:07:32 - Persönliche Bestleistung
7. Tebello Ramakongoana LES 2:07:58 - Nationaler Rekord
8. Conner Mantz USA 2:08:12
9. Clayton Young USA 2:08:44
10. Samson Amare ERI 2:08:56
11. Elroy Gelant RSA 2:09:07
12. Richard Ringer GER 2:09:18
13. Suguru Osako JPN 2:09:25
14. Ibrahim Hassan DJI 2:09:31
15. Samuel Fitwi GER 2:09:50
71 Finisher, 81 gestartet
VCM / News. Text: Jörg Wenig, Andreas Maier | www.race-news-service.com