Sonntag, 8:00 Uhr ist der Start. Wir drücken die Daumen!
Am Schlusstag der Olympischen Spiele von Paris geht der Frauen-Marathon in Szene. Start ist am Sonntag, 11. August, 8:00 Uhr. Mit dabei: Österreichs Rekordhalterin Julia Mayer und viele der weltweit herausragendsten Läuferinnen, darunter Titelverteidigerin Peres Jepchirchir aus Kenia und Weltrekordlerin Tigst Assefa aus Äthiopien.
Erstmals in der Olympiageschichte wurde nicht der Männermarathon auf diesen prestigeträchtigen Termin gesetzt, sondern der Frauenmarathon.
„Wir wollten die Reihenfolge umkehren, um die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern und die Frauen zum ersten Mal in den Vordergrund zu stellen. So wird der Frauenmarathon am 11. August zum Abschluss des Leichtathletikprogramms eine große Aufmerksamkeit genießen“, sagte Tony Estanguet, Organisations-Chef von Paris 2024.
Die Strecke wurde durch den "Marsch der Frauen" am 5. und 6. Oktober 1789 vom Pariser Rathaus nach Versailles inspiriert.
Hier erfährst du mehr über die herausfordernde Streckenführung mit zwei größeren Anstiegen und 147 Metern Höhendifferenz zwischen dem niedrigsten und höchsten Punkt der Strecke .
Julia Mayer: Olympiatraum wird wahr
Keine Österreicherin ist auf der Straße je schneller gelaufen als Julia Mayer. Das gilt für den Marathon (2:26:43), den Halbmarathon (1:11:09) und den 10-km-Straßenlauf (32:28 min). Über 5 Kilometer teilt sie sich den Rekord von 15:46 Minuten mit Jennifer Wenth.
Als dritte Läuferin der österreichischen Sportgeschichte nimmt sie nun an einem olympischen Marathon teil.
Österreichs Teilnehmerinnen bei Olympiamarathons bisher:
• Andrea Mayr 2:34:51 – London 2012 – 53. Platz (103 im Ziel, 118 gestartet)
• Andrea Mayr 2:41:52 – Rio 2016 – 64. Platz (133 im Ziel, 157 gestartet)
• Eva-Maria Gradwohl 2:44:24 – Beijing 2008 – 57. Platz (69 im Ziel, 82 gestartet)
Julia Mayer hat im Dezember 2023 mit sensationellen 2:26:43 Stunden in Valencia das direkte Limit für die Spiele von Paris um genau sieben Sekunden unterboten. Berücksichtigt man pro Land maximal drei Läuferinnen, die startberechtigt sind, schafften es 88 Athletinnen, unter der geforderten Marke zu bleiben. Julia liegt in diesem Ranking auf Position 87. Die Erwartungen dürfen also nicht zu hoch gesetzt werden. Ganz am Ende des Feldes sollte sie aber dennoch nicht landen. Kampfgeist und spezifische Vorbereitung auf die schwierige Strecke sprechen für sie. Aufgrund des Höhenprofils zwischen Paris und Versailles ist eine Orientierung an der Bestzeit kein Thema.
Die 31-jährige Niederösterreicherin, bekanntlich spielte sie früher Fußball, hat heuer bereits ÖLV-Rekorde im Halbmarathon und über 10 km erzielt. Beim Vienna City Marathon zeigte sie in 2:31:25 ein für sie sportlich nicht zufriedenstellendes Rennen. Mit 1:12:40 und Rang 36 beim EM-Halbmarathon im Juni in Rom brachte sie ein für die Verhältnisse ansprechendes Ergebnis ins Ziel.
Aufi & Owi in Paris
Die letzten Monate hat sie in Vorbereitung auf den Pariser Kurs viele Höhenmeter trainiert. Die Fähigkeit, bergauf und bergab zu laufen und danach auch im Flachen wieder eine flüssige Bewegung zustande zu bringen, wird in Paris eine große Rolle spielen. Unter anderem startete sie beim Hochkönig Speed Trail (Halbmarathon) und lief viele Einheiten auf den Wienerwaldhügeln am Rande der Hauptstadt.
“So ein Rennen bin ich noch nie gelaufen. Zusätzlich ist es ja mein Olympia-Debüt gegen die gesamte Weltklasse. Durch die Simulationen habe ich ein wenig ein Gefühl bekommen, was auf mich mit dieser Strecke zukommt. Von der Papierform her bin ja relativ weit hinten, trotzdem möchte ich mich um einiges nach vorne verbessern, das ist mein großes Ziel. Ich werde alles geben, was an dem Tag in meinem System drinnen ist”, sagte sie in einer Vorschau auf oelv.at.
Ob es tatsächlich möglich ist, „mit den besseren europäischen Läuferinnen mitzuhalten”, wie ihr Trainer Vincent Vermeulen sagte? Die Daumen sind gedrückt! Im Feld der weltbesten Marathonläuferinnen dabei zu sein, ist jetzt schon ein Riesenerfolg.
Die Witterung dürfte in Paris keine allzu große Rolle spielen. In den Morgenstunden soll es Temperaturen von ca. 16-18°C geben, bis zum Zieleinlauf werden es um rund 5°C mehr sein.
Kann die Titelverteidigerin Geschichte schreiben?
Die Kenianerin Peres Jepchirchir geht in Paris als Titelverteidigerin an den Start. Sie könnte als erste Athletin in der Leichtathletik-Historie einen zweiten olympischen Marathon gewinnen. Für die Frauen steht der Marathon allerdings auch erst seit 1984 auf dem Programm. Die 30-jährige Olympiasiegerin ist vielleicht die Top-Favoritin in Paris.
Im April gewann Peres Jepchirchir den London-Marathon mit einer Steigerung auf 2:16:16 Stunden und stellte damit einen „Women Only-Weltrekord“ auf (Rekord für reine Frauen-Rennen, ohne männliche Tempomacher). Jepchirchir, die in den vergangenen Jahren auch in Boston und New York triumphiert hatte und damit zeigte, dass sie auch im hügeligen Terrain stark ist, verwies in London die Weltrekordlerin Tigst Assefa (2:11:53) hinter sich. Die Äthiopierin war im Winter allerdings zeitweise verletzt, so dass sie vielleicht in London noch nicht wieder in Bestform war.
Dennoch gehört Assefa in Paris ebenso wie die Weltmeisterin Amane Shankule (Äthiopien) und Hellen Obiri zu den Topfavoritinnen. Die Kenianerin gewann im April den Boston-Marathon. Assefa und Obiri sind aber noch keinen Meisterschafts-Marathon im Hochsommer gelaufen.
Starke europäische Läuferinnen
Welche europäischen Läuferinnen könnten aufzeigen? In die Medaillenentscheidung kann wohl niemand von ihnen eingreifen. Lediglich Sifan Hassan hätte das Potenzial, falls sie nach mehreren Starts in Paris auf der Bahn auch beim Marathon antreten sollte.
Die Schweizerin Fabienne Schlumpf, VCM-Zweite von 2021, erreichte beim Olympiamarathon von Tokio / Sapporo 2021 den sehr beachtlichen zwölften Platz. Rang sieben bei der Halbmarathon-EM im Juni in Rom in 1:10:01 war als Zwischenschritt ein ermutigendes Zeichen.
Aleksandra Lisowska aus Polen, die Marathon-Europameisterin von München 2022, ist in Paris ebenso im Rennen. Rang 29 beim EM-Halbmarathon von Rom in 1:12:06 war aber kein Hinweis auf herausragende Form. Die EM-Zweite von München, Matea Parlov Kostro aus Kroatien, absolvierte zwar mehrere Rennen im Jahr 2024, konnte aber vorerst nicht an ihre schon gezeigten Leistungen anknüpfen.
Medaillentraum für Deutschland
Aus Deutschland sind drei Läuferinnen im Rennen: Melat Kejeta, Dominika Mayer und Laura Hottenrott. Kejeta lief in Sapporo beim olympischen Marathon vor drei Jahren auf einen sehr starken sechsten Platz. „Mein Ziel, auf das ich mich wirklich konzentrieren möchte, ist, unter die ersten Zehn zu kommen - aber mein Traum ist es, eine Medaille für mich und für Deutschland zu gewinnen“, sagt Melat Kejeta, die sich hauptsächlich in Äthiopien auf den Olympia-Marathon vorbereitet hat. Aufgrund starker Regenfälle in Addis Abeba in der letzten Zeit ist Melat Kejeta vor rund zwei Wochen nach St. Moritz gereist, um dort die finalen Trainingseinheiten zu absolvieren. „Hier kann ich mich auch ein bisschen besser auf die Hitze vorbereiten“, sagt Melat Kejeta, die im Juni Rang fünf im Halbmarathon bei den Europameisterschaften in Rom belegt hatte. Ein Platz unter den Top 12 im olympischen Marathon wäre angesichts der starken Konkurrenz ein Erfolg für Melat Kejeta.
Mit ihrer persönlichen Bestzeit von 2:21:47, die sie im Januar in Dubai lief, ist Melat Kejeta vor Olympia die zweitschnellste europäische Läuferin des Jahres. Schon unmittelbar hinter ihr liegt in dieser Liste Dominika Mayer auf Rang drei (2:23:50). Vor wenigen Tagen bewies sie gute Form: In Berlin verbesserte sie sich als Zweite über 10 km auf 31:43 Minuten und ist damit die siebtschnellste deutsche Läuferin aller Zeiten über diese Distanz. Bei der EM in Rom hatte sie im Halbmarathon als Elfte überzeugt.
Nicht einzuschätzen ist die Form von Laura Hottenrott. Mit einer überraschenden Steigerung auf 2:24:32 in Valencia im vergangenen Dezember qualifizierte sie sich letztlich knapp als dritte deutsche Läuferin für den olympischen Marathon. Seitdem ist Laura Hottenrott bei keinem einzigen Rennen mehr an den Start gegangen.
Text: Jörg Wenig, AM / Race News Service