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Kipchoges Weltrekord und eine Fülle an Topzeiten

Marathon-Throwback 2022 der Männer

Die Fülle der Weltklassezeiten im Männer-Marathon setzte sich 2022 fort. Eliud Kipchoge untermauerte dabei seine Position als bester Marathonläufer aller Zeiten über die 42,195 km ein weiteres Mal eindrucksvoll. In Berlin brach der Kenianer seinen eigenen Weltrekord und steigerte sich um eine halbe Minute auf 2:01:09 Stunden. Zudem erzielte er 2022 eine zweite superschnelle Zeit in Tokio: Sein Streckenrekord von 2:02:40 ist die sechstschnellste je erzielte Marke. In den Top 10 in der All-Time-Liste findet sich nun gleich viermal der Name Eliud Kipchoge.

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Sensations-Debüt in Valencia

Doch der Ausnahmeathlet war 2022 nicht der einzige Läufer, der ein Ergebnis von unter 2:02 Stunden erreichte: Sein Landsmann Kelvin Kiptum überraschte in Valencia mit 2:01:53 und wurde damit gleich bei seinem Debüt über die klassische Distanz zum drittschnellsten Marathonläufer aller Zeiten. Natürlich war es auch das schnellste je gelaufene Debüt. Erstmals blieben somit in einem Jahr zwei Läufer unter 2:02 Stunden. Während in den vergangenen zwölf Monaten sieben Zeiten unter 2:04 gestoppt wurden, waren es 24 unter 2:05 und damit exakt genauso viele wie im Jahr zuvor. Es ist aber noch nicht so lange her, da waren derartige Ergebnisse die Ausnahme: 2017 gab es derer vier, 2016 waren es sieben und 2015 drei.

Die Schuhe und mehr

Die Carbon-Laufschuh-Revolution schlägt sich wohl als stärkster Faktor in den Zahlen nieder. Für Leistungsentwicklungen gibt es immer eine Vielzahl an Elementen, die einen Beitrag leisten. Jede individuelle Steigerung auf die Schuhe zurückzuführen, greift zu kurz. Training, Konsequenz, Regeneration, Motivation, Wettkampfstrategie, Ernährung und vieles mehr spielen eine Rolle. Es wäre naiv, nicht auch Doping in die Liste der Faktoren aufzunehmen. In Summe dürfte jedoch die Schuhtechnologie den größten Einfluss auf die Spitzenleistungen haben – wenn es nicht eine bislang geheim gehaltene Revolution im Marathontraining gegeben hat oder wenn nicht ein breit gestreutes Dopingmittel oder ein großes Netzwerk die Zeiten in dieser Fülle schneller macht. Das wird auch deutlich, wenn man tiefer in die Listen schaut: Im vergangenen Jahr gab es eine Rekordzahl von 383 Zeiten unter 2:10:00 Stunden. Zum Vergleich: 2017 waren es 180 Zeiten unter 2:10 weltweit, also gut 200 weniger. Von europäischen Athleten stammten damals übrigens nur fünf derartige Ergebnisse, wobei einer Arne Gabius war (2:09:59). Im vergangenen Jahr gab es 27 Zeiten von europäischen Läufern unter dieser Marke.

WM und EM erstmals in einem Sommer

Zum ersten Mal fanden Welt- und Europameisterschaften jeweils mit Marathonrennen in einem Sommer statt. Bei den globalen Titelkämpfen in Eugene ging längst nicht die komplette Weltelite an den Start und etliche europäische Topläufer konzentrierten sich lieber auf die EM in München. Nach einer famosen Tempoverschärfung im letzten Viertel des Rennes lief der Äthiopier Tamirat Tola zu einem eindrucksvollen Sieg mit einer WM-Rekordzeit von 2:05:36 Stunden. Er gewann vor seinem Landsmann Mosinet Geremew (2:06:44) und dem belgischen Europarekordler Bashir Abdi (2:06:48), der wie schon bei Olympia 2021 Bronze gewann. Bei der EM sorgte der Deutsche Richard Ringer für eine Sternstunde und stürmte sensationell zur Goldmedaille

Österreichs Läufer: Gut auf den zweiten Blick

Österreichische Läufer waren bei diesen internationalen Meisterschaften nicht am Start. Vier Jahre nach der großartigen EM-Bronzemedaille in der Nationenwertung durch Lemawork Ketema, Peter Herzog und Christian Steinhammer eigentlich ein trauriges Bild. Wenn man genauer schaut, ist das Leistungspotential jedoch da. ÖLV-Rekordhalter und Olympiateilnehmer Peter Herzog konzentrierte sich 2022 auf seinen Start beim Berlin Marathon. In beachtlichen 2:12:16 Stunden erzielte er die beste Leistung eines Österreichers im vergangenen Jahr. Im Frühjahr war er von einer Verletzung gebremst worden – jetzt ist alles wieder auf weitere Steigerungen und die Olympiateilnahme 2024 in Paris ausgerichtet.

Mit Mario Bauernfeind gibt es einen neuen Marathonläufer von Format. Beim Eindhoven Marathon erzielte er die persönliche Bestzeit von 2:15:34 Stunden und jubelte dabei zudem über den Titel des Polizeieuropameisters. Lemawork Ketema zeigte beim Vienna City Marathon in 2:15:42 ein ähnliches Leistungsniveau. Es ist ihm zu wünschen, dass er ohne Verletzungen nochmals an seine Top-Ergebnisse anknüpfen kann. Überraschend meldete sich Florian Prüller mit 2:15:56 Stunden beim Hannover Marathon mit einer persönlichen Bestleistung zurück. Der 39-Jährige war bereits EM-Teilnehmer in Barcelona 2010, nach einigen Jahren Laufpause hat er nun wieder Feuer gefangen.

In der ÖLV-Jahresbestenliste findet sich auch Andreas Vojta. Der ehemalige 1.500-m-Spezialist, der bereits seit Jahren auf längere Distanzen unterwegs ist, hat beim VCM die Zeit von 2:23:21 Stunden erreicht. Dies war das Ergebnis seiner Pacemaker-Dienste für Timon Theuer – der leider verletzt aussteigen musste. Vojta lief das Rennen vergleichsweise locker zu Ende und überquerte dann auch noch über die Ziellinie. Für 2023 hat er sein tatsächliches Marathondebüt angekündigt. Die Laufcommunity darf gespannt sein.

Berlin Marathon bleibt schnellstes Rennen

In der Liste der weltweit schnellsten City-Marathonläufe bleibt Berlin die klare Nummer eins - und das nun schon 17 Jahre in Folge! Der Durchschnitt der zehn schnellsten je bei dem Rennen gelaufenen Zeiten ergibt jetzt einen famosen Wert von 2:02:39,8 Stunden. Weltweit gibt es überhaupt nur fünf Zeiten, die schneller sind als der Berliner Schnitt. Und die schnellsten drei je erzielten Ergebnisse stammen von Deutschlands Lauf-Spektakel Nummer eins. In der Liste der schnellsten Rennen schob sich aber Valencia nochmals nach vorne. Die Spanier, die 2022 fünf der schnellsten zehn Zeiten des Jahres produzierten, haben nun sogar London hinter sich gelassen und sind die neue Nummer zwei mit einem Durchschnitt von 2:03:16,5 Stunden.

Generell kehrten praktisch alle größeren Veranstaltungen nach pandemiebedingten Ausfällen wieder zurück. Ungewiss scheint die Zukunft des Düsseldorf Marathons. Vor knapp einem Jahr verkündeten die Veranstalter, dass das Rennen im April 2022 nicht stattfinden könne. Das ist bis heute die letzte Meldung aus Düsseldorf.


Die schnellsten Zeiten 2022
2:01:09 Eliud Kipchoge KEN Berlin 25.9.
2:01:53 Kelvin Kiptum KEN Valencia 4.12.
2:02:40 Eliud Kipchoge KEN Tokio 6.3
2:03:00 Gabriel Geay TAN Valencia 4.12.
2:03:13 Amos Kipruto KEN Tokio 6.3
2:03:29 Alexander Munyao KEN Valencia 4.12.
2:03:40 Tamirat Tola ETH Valencia 4.12.
2:04:14 Tamirat Tola ETH Tokio 6.3
2:04:24 Benson Kipruto KEN Chicago 9.10.
2:04:36 Kaan Özbilen TUR Valencia 4.12.
2:04:39 Amos Kipruto KEN London 2.10.
2:04:43 Asar Abderehman ETH Sevilla 20.2
2:04:43 Mosinet Geremew ETH Seoul 17.4
2:04:47 Cybrian Kotut KEN Hamburg 24.4
2:04:48 Stephen Kissa UGA Hamburg 24.4

Die schnellsten City-Marathonrennen

1. BERLIN 2:02:39,8
2:01:09 Kipchoge KEN 2022
2:01:39 Kipchoge KEN 2018
2:01:41 Bekele ETH 2019
2:02:48 Legese ETH 2019
2:02:57 Kimetto KEN 2014
2:03:03 Bekele ETH 2016
2:03:13 E. Mutai KEN 2014
2:03:13 Kipsang KEN 2016
2:03:23 Kipsang KEN 2013
2:03:32 Kipchoge KEN 2017

2. VALENCIA 2:03:16,5
3. LONDON 2:03:45,8
4. DUBAI 2:04:02,5
5. TOKIO 2:04:22,5
6. AMSTERDAM 2:04:25,3
7. CHICAGO 2:04:27,2
8. ROTTERDAM 2:04:27,3
9. MAILAND 2:04:33,5
10. PARIS 2:04:54,8

Basierend auf dem Durchschnitt der zehn schnellsten je bei dem Rennen gelaufenen Zeiten.

VCM News. Text und Statistik: Jörg Wenig / race-news-service.com / Red – AM